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Sonnenuntergangvision

Ursprünglich war der Schumutt-Turm vor langer Zeit gebaut worden, weil sich direkt vor ihm ein grosser Marktplatz befand und der Marktleiter sehen wollte, ob sich alle richtig in einer Reihe aufgestellt hatten. Dieser Marktplatz wurde dann aber aufgegeben und in einen Park umgewandelt. So bot dieser Turm jetzt einen herrlichen Überblick über den Park und die hintere Stadt. Er war allerdings nicht überdacht, dafür hatte er einen kleinen Keller, der gegen plötzlich einsetzendes Unwetter Schutz bot.
Kilia konnte es kaum erwarten, auf die oberste Ebene zu kommen. Sie befürchtete wohl, wir würden den Sonnenuntergang womöglich verpassen und stürmte die Stufen regelrecht hoch, so dass ich etwas ausser Atem war, als wir oben waren. Aber die Aussicht belohnte uns dafür umso mehr für unsere Mühe, der Sonnenuntergang war wirklich herrlich. Die Sonne hatte die Wolken in warmes Licht getaucht, sie sahen nun aus, als würden sie oben das Blauschwarz des Weltalls einfangen, während sie von unten her glühten und sich dazwischen mit kleinen Schatten verzierten. Der Wind wehte nur noch leicht, auch er schien jetzt ruhen zu wollen. Ganz weit draussen schienen einige Vögel noch ihre Runden zu drehen und in die unendliche Weite des Himmels zu fliegen. Die Ringe des Planeten konnte man bereits über den Wolken sehen, tagsüber waren sie kaum zu erkennen, nur nachts zeigten sie sich wirklich deutlich und erinnerten mich daran, dass ich mich nicht auf meinem Heimatplaneten befand.
Während ich noch darüber nachdachte, dass ich bald wieder abreisen und in mein altes Leben zurückkehren musste, spürte ich, wie Kilia mich umarmte. Da war es wieder, dieses warme Gefühl des Vertrauens und der Freund­schaft, das ich so lange gesucht und erst hier gefunden hatte.
"Tata, wie lange seid Ihr noch hier?" fragte sie.
"Bis morgen abend."
Sie nickte nachdenklich.
"Habt Ihr auch solche Sonnenuntergänge auf Eurem Planeten?" fragte sie.
"Ja", antwortete ich, "aber da sind sie etwas kürzer, weil unser Planet nicht ganz so gross ist wie eurer. Und die schönen Ringe hat er auch nicht."
"Glaubt Ihr, Batakinia hatte recht damit, dass Freundschaft und Vertrauen auch die grösste Angst überwinden kann?"
"Da bin ich mir ganz sicher. Es braucht Mut, um zu vertrauen, und beides wird grösser, je mehr man es mit jemandem teilt."
Der Wind wehte ihr die Haare ins Gesicht. Ich strich sie beseite.
Sie lächelte.
"Danke, Tata."
Ich gestand mir ein, dass ich es genoss, Kilia an meiner Seite zu haben. Es war wirklich so, wie Batakinia gesagt hatte, Kilia war jemand, mit dem ich Pferde hätte stehlen können. Ich hätte sie gern zu meiner besten Freundin erklärt, aber ich wusste nicht, ob ich für sie ebenso wichtig war. Am Ende gab es dann nur wieder enttäuschte Hoffnungen, deshalb wollte ich dieser Frage noch etwas Zeit lassen.
"Warte mal kurz, Tata."
Kilia hatte in ihrer linken Tasche noch drei Kügelchen gefunden. Sie waren rot, blau und grün.
"Ich würde sie gern dem Wind übergeben. Darf ich?" fragte sie mich.
"Natürlich darfst du", antwortete ich.
Sie löste die Umarmung, lehnte sich dann etwas über die Mauer und warf die Kügelchen von sich. Ich hatte mich ebenfalls über die Mauer gelehnt und sah die Kügelchen zuerst nach unten fallen, bevor sie der Wind davontrug und sie verschwanden.
Kilia lachte.
"Morgen werden sie sicher von meiner Mutter gefunden."
Ich musste auch lachen.
Auf einmal war es mir, als würde Kilia erstarren. Sie schaute nur noch in eine Richtung vor sich und rührte sich nicht, nur ihr Atem verriet, dass sie nicht völlig weggetreten war.
"Kilia?" fragte ich und schaute sie an, aber sie bemerkte mich offenbar nicht, noch nicht mal, als ich meine Hand vor ihren Augen bewegte.
"Kilia?" fragte ich nochmal. Es entstand eine Stille, und ich wolle die Hoffnung schon aufgeben, nochmal etwas von ihr zu hören, da sagte sie plötzlich:
"Tata...."
"Ja, Kilia?"
"Ich habe eine Vision."
Schnell nahm ich ihre Hand. Und in diesem Augenblick konnte ich etwas Seltsames sehen: Ein Meer von Blumen, jede so gross wie ein Teller, schwebte vom Sonnen­untergang zu den Bergen hinter uns, und der Turm war mittendrin. Es waren unzählige Blumen, die ich noch nie gesehen hatte, und sie zogen geräuschlos an uns vorbei, so als wären sie nur für uns gekommen.
Ich war verblüfft. Zum ersten Mal hatte nicht ich eine Vision gehabt, sondern Kilia. Und ich war froh, sie miterleben zu können.
"Da", rief Kilia. In der Ferne sah ich etwas, das wie ein Vogel aussah und rasch näherkam. Als es auf der Mauer landete, konnte ich tatsächlich einen adlerählichen Vogel erkennen, allerdings einen mit gigantischen Ausmassen, seine Flügelspannweite mochte mindestens 5 Meter betragen, vielleicht sogar mehr.
"Tata, das ist Smaruk. Ihr müsst keine Angst vor ihm haben", erklärte Kilia und strich dem Vogel über den Kopf.
"Woher kennst du ihn?" fragte ich.
"Er ist mir schon oft im Traum begegnet."
Der Vogel krächzte ein paarmal. Kilia lächelte mir zu, dann sagte sie:
"Er möchte, dass wir auf seinem Rücken sitzen und mitkommen, damit wir in den Sonnenuntergang fliegen können."
"Auf seinem Rücken?" fragte ich und schaute über die Mauer. Von hier ab ging es mindestens 20 Meter in die Tiefe. Würde ich also herunterfallen, wären mir ein paar Knochenbrüche gewiss.
Kilia, deren Hand ich immer noch hielt, wollte jetzt auf den Rücken des Vogels klettern. Ich zögerte unwillkürlich.
"Kommt, Tata. Haltet Euch an mir fest. Es passiert Euch nichts, vertraut mir!"
Ich erinnerte mich daran, dass ich ihr vorhin bestätigt hatte, Freundschaft und Vertrauen könnten die grösste Angst überwinden. Und sie hatte wirklich recht, ich hatte nicht einen einzigen Grund, ihr nicht zu vertrauen. Also folgte ich ihr und setzte mich hinter sie.
Wir flogen los. Ich sass direkt hinter Kilia und hielt mich fest, während sie sich am gewaltigen Hals des Vogels festhielt. Dieser flog tatsächlich sehr geschickt, so dass ich nach einiger Zeit gelassener wurde und mich mit den Beinen nicht mehr so arg festklammerte. Die Blumen waren inzwischen verschwunden. Vor uns war jetzt nur noch die obere Spitze der Sonne zu sehen, die damit aber immer noch genug Sonnenstrahlen gegen die Wolken schickte, und wir flogen direkt in das Farben- und Lichtermeer hinein. Was dann geschah, weiss ich nicht mehr. Ich weiss nur noch, dass es sehr, sehr schön war.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, erkannte ich um mich herum mein Zimmer im Kurhaus. Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich hierhin gekommen war. Da war dieser Flug mit dem Vogel gewesen, und während er stattfand, hatten Kilia und ich in Wirklichkeit beide weiter regungslos auf dem Turm gestanden und uns nicht gerührt. Allerdings hatte ich auch gemerkt, dass die Zeit in einer Vision viel schneller vergeht. Wenn es mir so vorkam, als wäre eine Stunde vergangen, waren in der realen Welt gerade 10 Minuten um. Ich wusste also nicht genau, wie lange wir unsere gemeinsame Vision hatten, aber sie war eine schöne. Oder waren wir wirklich geflogen und der Vogel hatte uns vor dem Kurhaus abgesetzt? Unsinn.... oder doch?

Als ich im Bad war, musste ich mir eingestehen, dass ich mir wünschte, keine Dienerin mehr zu haben ausser Kilia. Sie musste also meine Erste Dienerin werden. Das Dumme dabei war nur, dass ich sie vorher fragen musste, und ich wusste, dass mir das viel Mut abverlangen würde. Irgendwie hasste ich das. Eigentlich hatte ich immer gehofft, es würde sich entweder so ergeben oder sie würde mich fragen. Ich hätte nie etwas anderes tun können, als zuzustimmen. Aber ich war nunmal der Gast, und von denen wurde erwartet, dass sie die Frage stellten.

Als wir wenig später zusammen frühstückten, nahm ich meinen Mut zusammen und sagte ihr: "Kilia, ich muss dich mal was fragen."
Kilia schaute mich fragend an.
"Ja, Tata?"
"Weisst du, wir kennen uns ja schon eine Weile und haben viel zusammen durchgemacht. Du weisst, dass ich mir keine bessere Dienerin vorstellen kann als dich. Darum wollte ich dich fragen, ob du meine Erste Dienerin werden willst."
Jetzt hatte ich es gesagt, sogar ohne zu stottern. Eigentlich war es gar nicht mal so schwer.
Kilia lächelte, dann antwortete sie:
"Ich habe gehofft, dass Ihr mich das fragen würdet. Aber ich habe eine andere Idee."
Ich merkte schon, dass es wahrscheinlich nicht gut gewesen war, diese Frage zu stellen. Aber jetzt wollte ich wenigstens erfahren, warum sie nicht Ja gesagt hatte.
"Welche denn?"
"Wisst Ihr, bevor Ihr nach Uu Eikaku gekommen seid, war es mir egal, wessen Dienerin ich war, und alle Gäste haben mich bisher gut behandelt. Aber für sie war ich halt nur irgendeine Dienerin. Einigen habe ich ein Bild gemalt, aber sie haben es sich entweder nur einmal angesehen oder gleich weggeworfen. Ihr wart der erste, der es an sich nahm und bei sich tragen wollte."
"Aber ich..." wollte ich sagen, doch sie legte mir den Zeigefinger auf den Mund.
"Psssch! Darf ich ausreden?"
Ich nickte.
"Ihr wart der erste, der mich besucht hat, als ich krank war. Das hat mir viel Kraft gegeben. Ihr wart auch der erste, für den meine grünen Haare etwas Positives sind. Ausser Euch hat noch nie ein Gast an unserem Bataki-Fest teilgenommen und erst recht nicht mit mir getanzt. Als wir zusammen vor der Kugel im Tempel standen, wusste ich, dass ich Euch blind vertrauen konnte. Batakinia hatte recht, Ihr müsst nicht denken, Ihr hättet nichts für mich getan. Ihr habt mehr getan, als ich es mir je vorgestellt habe."
Wieder fiel Sonnenlicht auf ihre Haare und brachte sie zum Leuchten. Sie fuhr fort:
"Ich habe viel über uns nachgedacht. Und nach alledem, was wir erlebt haben, möchte ich gar nicht mehr die Dienerin eines anderen Gastes sein. Wenn ich Erste Dienerin werde, dann wäre ich das nur so lange, wie Ihr hier seid, und danach wäre ich wieder Dienerin eines anderen Gastes, auch wenn ich das nicht will. Daher werde ich meinen Beruf als Dienerin an den Nagel hängen und mir etwas anderes suchen."
"Aber... was ist mit der Unterstützung deiner Eltern?" fragte ich unsicher.
"Ihr müsst Euch keine Sorgen machen", erklärte Kilia, "meine Eltern verstehen das und kommen auch gut eine Weile ohne meine Unterstützung aus. Ich finde schon eine andere Arbeit. Bilia hat mir erzählt, dass sie in der Küche vom Kurhotel nach einer Hilfe suchen, das wäre vielleicht was für mich."
Sie sah mir in die Augen.
"Darf ich Eure Dienerin bleiben, auch wenn ich einen anderen Beruf habe?" fragte sie.
"Nur, wenn du mich dann als deinen Diener einstellst", antwortete ich.
Sie schmunzelte.
"Ich kann Euch aber nicht viel zahlen."
"Kein Problem. Ein Lächeln am Tag reicht", sagte ich augenzwinkernd.
Kilia lachte.
"Ich glaube, es werden immer mehr sein", gestand sie.
Dann huschte ein Schatten über ihr Gesicht.
"Schade, dass Ihr nur noch diesen Tag hier seid."
"Ich wäre auch länger geblieben", sagte ich, "aber mein Chef will, dass ich heute zurückkomme."
Kilia nickte.
"Wisst Ihr, Bilia hat mich wegen Euch beneidet. Sie wäre gern Eure Dienerin geblieben."
"Bilia ist nett", entgegnete ich, " aber sie ist eben nicht du, und sie kann dich auch nicht ersetzen. Du verstehst mich einfach besser als sie. Du bist nunmal etwas Besonderes."
Kilia lächelte verlegen. Ihre Wangen röteten sich.
"Das seid Ihr auch, Tata", gestand sie.
"Vielen Dank, Kilia. Da ist übrigens noch etwas, worüber ich mit Dir sprechen möchte", fuhr ich fort. "Weisst du, ich möchte nicht, dass dich unsere Freundschaft davon abhält, mit einen netten jungen Mann zusammenzusein, den du liebst und der dich liebt."
Kilia kicherte.
"Ihr meint einen Geliebten. Da braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen, zur Zeit habe ich keinen. Aber Ihr müsst nicht denken, dass mich das nicht interessieren würde, ich hatte schon fünf Geliebte. Mit dem letzten hatte ich sogar eine Körpervereinigung."
Körpervereinigung war die direkte Übersetzung aus dem Eitakunischen für Geschlechtsverkehr. Erstaunlicherweise ging man mit diesem Thema trotz der strengen Kleiderordnung und engen Moralvorstellungen auf Uu Eitaku relatv offen damit um. Das war auf Batakinia zurückzuführen. Um die Anzahl der unerwünschten Schwangerschaften, die zu ihrer Zeit noch recht hoch waren, zu begrenzen, hatte sie durchgesetzt, dass zu dem Zeitpunkt, an dem ein Mädchen seine erste Regel bekommen hatte, ihr zu Ehren das "Fest der Fruchbarkeit" gefeiert wurde. Anschliessend musste das Mädchen zusammen mit anderen gleichaltrigen Mädchen und Jungen zum Aufklärungsunterricht. Dort erfuhren sie, was es mit der Fortpflanzung auf sich hatte und welche Verhütungsmethoden es gab. Am Ende mussten sie sogar eine schriftliche Prüfung bestehen. Diese Massnahme führte dazu, dass die unerwünschten Schwangerschaften rasant abnahmen und schliesslich eher selten wurden.
Ich staunte, betrachtete es aber als eine Ehre, dass Kilia mir anvertraute, schon sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben.
"Danke, dass Du mir das anvertraust. Aber was ist dann passiert?" fragte ich sie.
"Er hat sich leider in eine andere verliebt. In Bilia."
"In Bilia?" fragte ich überrascht.
"Ja. Sie kann allerdings nichts dafür, sie hat ihn auch nicht auf sich aufmerksam gemacht oder so. Es ist halt einfach so passiert. Für mich war das aber ein Zeichen, dass er mich nicht wirklich liebte. Deshalb musste ich diese Beziehung beenden."
"Das ist schade", gab ich zu, "aber ich verstehe dich da gut und bewundere auch deinen Mut, einen Schlussstrich zu ziehen."
"Danke, Tata", sagte Kilia mit einem Lächeln. "In Bilia verlieben sich viele Männer, wahrscheinlich weil sie blonde Haare hat. Deshalb hatte ich auch Angst, dass Ihr mich nicht mehr zurückhaben wolltet, nachdem sie Eure Dienerin geworden war."
"Tja", sagte ich mit gespielter Abwehrhaltung, "ich bin da wohl gegen ihre Reize immun."
Kilia lachte, dann nickte sie.
"Ja, zum Glück seid Ihr das."
Mir kam eine Idee.
"Wie wär's, wenn wir heute in die Kinulia-Berge fahren?" fragte ich sie.
"Gute Idee, Tata", gab Kilia zurück, "aber die Berge sind weit weg von hier."
"Kein Problem", sagte ich, "wir bestellen uns einen Gleiter. Pack schonmal alles für ein Picknick zusammen. Ach ja, und einen Ball müssen wir auch mitnehmen."
Die Kinulia Berge waren weniger bekannt als die Lurgana-Bucht, standen ihr jedoch, was die Naturschönheit anging, in nichts nach, denn sie umrahmten ebenfalls einen See mit einem schönen Sandstrand. Allerdings lagen sie wesentlich weiter von der Stadt weg und waren zu Fuss oder mit einer Kutsche nur über einen weiten Umweg zu erreichen, deshalb waren sie wesentlich weniger populär. Ich war noch nie dort gewesen, denn sie waren kein Bestandteil des Kurplans, aber mit Kilia zusammen waren sie ein lohnendes Ziel.
Einen Gleiter, auch Schwebebus genannt, der einer fliegenden Patronenhülse mit Flügeln nicht unähnlich war, konnte man direkt beim Raumhafen bestellen. Für gewöhnlich nutzten ihn Touristen, die gern die schönen Orte des Planeten kennenlernen und sich den weiten Hinweg sparen wollten. Sie kosteten natürlich wesentlich mehr als eine normale Kutsche und durften auch nicht unbegrenzt fliegen, denn die Bürgermeister von Uu Eitaku wollten nicht, dass sich ihre Bürger durch die Flugaktivitäten gestört fühlten. Deshalb durfte immer nur eine bestimmte Anzahl von Gleitern innerhalb einer bestimmten Uhrzeit fliegen, sonst musste man eben warten. Wir hatten Glück, heute war nicht viel Betrieb, und so konnten wir schon eine Dreiviertelstunde später auf der grossen Wiese neben dem Kurhaus einsteigen.
Für Kilia war das sehr aufregend. Sie war das erste Mal mit einem solchen Gleiter unterwegs. Und obwohl der Gleiter schnell war, waren wir etwa eine halbe Stunde unterwegs, bis wir die Kinulia-Berge erreicht hatten.
Unten angekommen erwartete uns ein leerer, sonniger Strand. Um uns herum standen urwüchsige Bäume, das Wasser war tiefblau und die Berge grün. Wir breiteten die Decke aus, setzten uns und genossen die Natur um uns herum. Hier liess es sich wirklich aushalten.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit einem Spaziergang am Strand und Waten im warmen Wasser, Ballspiel und Picknicken. Kilia hatte wieder ihre Sportkleidung an und lief eigentlich mehr durch das Wasser, als sie ging. Natürlich ermunterte sie mich nach einer Weile, mitzulaufen, worum sie mich nicht lange bitten musste, denn ich hatte Hunger und wer zuerst die Decke erreicht hatte, durfte den Picknickkorb öffnen. Es ist nicht schwer zu erraten, wer es als erster schaffte - richtig, sie natürlich. Aber ich gönnte es ihr aus vollem Herzen.
Die Zeit verging wie im Flug, und schon bald landete der Gleiter wieder am Strand, um uns abzuholen. Ich muss gestehen, ich hätte gern noch einen Tag drangehängt, aber das liess sich nun nicht mehr ändern.

"Tata, kommst du noch bei meinen Eltern vorbei? Sie wollen sich auch bei dir verabschieden", fragte mich Kilia, als mein Koffer fertig gepackt bereitstand.
"Natürlich, gern", antwortete ich.
Der Abschied von Kilias Eltern war der herzlichste, den ich je erlebt habe. Ihre Mutter gab mir noch eine Kräutermischung mit auf den Weg und rang mir das Versprechen ab, auf jeden Fall wiederzukommen. Ihr Vater verlor nicht viele Worte, wünschte mir nur eine gute Reise und schenkte mir eine hölzerne Schachtel. Als ich sie später öffnete, entdeckte ich darin den Bataki-Holzstab auf einem Kissen, eine verkleinerte, ansonsten identische Kopie, die er allen hergestellt hatte. Diesen Holzstab trage ich heute noch ständig in meiner Jacke bei mir, als Glücksbringer. Und ihre jüngere Schwester, die mir beim ersten Besuch die Tür geöffnet hatte, überreichte mir ein selbstgemaltes Bild. Es zeigte einen Mann und eine Frau, Hand in Hand, unter einem Regenbogen und auf einer Wolke stehend. Kein Zweifel, das sollten Kilia und ich sein. Ich war ganz gerührt und drückte sie einmal dafür. Sie bat darum, mit zum Raumhafen kommen zu können. Ihre Eltern wollten sie davon abhalten, aber ich stimmte zu. Sie hatte diese Belohnung einfach verdient.

Kurz nachdem wir durch die Kontrollen durch waren, wurde mein Flug aufgerufen. Wir standen jetzt direkt in der Nähe des Schiffes, mit dem ich fliegen würde. Bisher war ich noch gut gelaunt gewesen, aber nun schlich sich doch Schwermut in mein Herz. Während ich Kilia umarmte, zogen nochmal alle Erinnerungen an die Zeit, die ich mit ihr verbracht hatte, an mir vorbei, und als ich ihre Umarmung spürte, wurde mir bewusst, wie diese wunderschöne Freundschaft mit ihr entstanden war, was sie bewirkt hatte und was sie mir bedeutete. Und das war zu meiner Überraschung mehr, als ich mir je eingestanden hatte. Kilia hatte aus mir wieder einen glücklichen Menschen gemacht. Sie hatte zu mir gehalten, obwohl ich mich eigentlich sehr merkwürdig benommen hatte. Ich erinnerte mich an die Momente, wo sie mir ihre Hilfe angeboten oder ihre ganz persönlichen Gedanken geschildert hatte. Und auch daran, wie wir zusammen getanzt hatten. Ich hätte nicht im Ernst erwartet, nochmal etwas so Schönes erleben zu dürfen. Eins stand jetzt schon fest: Ich würde ihr bis in alle Ewigkeit dankbar dafür sein.

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