Epilog: Kraft der Freundschaft

Natürlich ging unser Gespräch noch weiter. So erfuhr ich beispielsweise von ihr, daß ihr Name aus dem Buch eines sibirischen Autors ihrer Eltern stammte und etwa »pfeilschnelles Mädchen« bedeutete. Sie wußte aber nicht, warum ihre Eltern gerade diesen Namen gewählt hatten. Und sie sagte mir auch, daß sie mich heute abend angerufen hätte, um ihr plötzliches Verschwinden zu erklären und mitzuteilen, daß sie morgen wieder mitfahren würde. Außerdem beschlossen wir, in Zukunft unsere Hausaufgaben gemeinsam zu machen.
Meine Freunde verhielten sich ihr gegenüber erwartungsgemäß neutral. Sie sahen sie das erste Mal, als sie zu meiner Geburtstagsfeier kam, wobei sie etwas aufgeregt war, da dies ihre erste Einladung zu einer solchen Feier war. Sie hatten aber kein Problem mit ihrer unheimlichen Aura, und nach anfänglichen Berührungsängsten fühlte sie sich zum Glück ganz wohl, sicherlich auch, weil meine Schwester ebenfalls an der Feier teilnahm und sie somit nicht das einzige Mädchen war.
Der einzige, der sich mit meiner Freundschaft zu ihr etwas schwertat, war mein Tischnachbar, der es nicht lassen konnte, mich mit seinen sarkastischen Bemerkungen zu provozieren. Weil ich dann aber immer nur mit den Schultern zuckte und seine Aussagen ignorierte, ließ er es bald sein und nahm es hin, wie es war. Zwar änderte sich nichts daran, daß die Mädchen in unserer Klasse ihre neue Mitschülerin weiterhin mieden, aber nachdem klar war, daß sie mit dem neidvollen Gerüchteschüren keinen Erfolg mehr hatten, hörte wenigstens diese blöde Lästerei auf.
Die Freundschaft mit ihr trug jedenfalls Früchte, wir machten nicht nur unsere Hausaufgaben zusammen und paukten gemeinsam bei bevorstehenden Arbeiten, wir unternahmen auch hin und wieder so mal etwas. Unser gegenseitiges Vertrauen wurde so groß, daß wir uns wirklich alles erzählen und uns darauf verlassen konnten, daß der andere es verstand (und wenn nicht, daß er es sich erklären ließ). Wir waren halt beide auf derselben Wellenlänge.
Jetzt stellt sich wahrscheinlich die Frage, ob mehr aus dieser Freundschaft wurde, aber das weiß ich bis heute nicht. Nach wie vor sind wir einfach dicke Freunde. Nur eins kann ich jetzt schon sagen: Ich dachte damals, ich hätte schon alle seltsamen Seiten erlebt. Aber da irrte ich mich, denn schon bald sollte ich erfahren, daß es noch mehr davon gibt als die SIEBEN SEITEN DER SELTSAMKEITEN.